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In der Fotografie gibt es viele Gestaltungsmittel. Die Schärfe spielt dabei eine entscheidende Rolle. In manchen Fällen ist ein scharfes Bild immer das angestrebte Ziel. Gleichzeitig ist aber gerade die Unschärfe ein häufig eingesetztes Stilmittel. Dabei geht es vor allem um selektive Schärfe. Ausgewählte Elemente sollen scharf abgebildet werden, während alle anderen Bildbereiche durchaus unscharf sein dürfen. Vor allem der Hintergrund kann für vieles nicht weich genug sein. Um diesen Effekt zu erzielen, werden teilweise Objektive für mehrere hundert Euro gekauft. Doch was genau ist selektive Schärfe und wie setzt man sie am besten ein?

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Was ist selektive Schärfe?

In der Fotografie dient ein Fokuspunkt als Referenz für die Schärfe im Bild. Unter normalen Bedingungen ist dieser Punkt der schärfste im Bild, und je nach Kameraeinstellungen kann sich die Schärfe mehr oder weniger weit im Bild ausbreiten. Außerhalb des fokussierten Punktes erscheinen die übrigen Bildelemente unscharf.

Ähnlich verhält es sich mit dem menschlichen Auge: Wenn ein Punkt fokussiert wird, erscheint der Rest verschwommen.

Dieses Phänomen wird in der Fotografie gezielt genutzt, um die Aufmerksamkeit auf bestimmte Punkte zu lenken. Gleichzeitig werden weniger wichtige Elemente durch Unschärfe in den Hintergrund gerückt. Dieses Vorgehen ist als selektive Schärfe bekannt.

Wie entsteht selektive Schärfe?

Um Schärfe gezielt einsetzen zu können, ist es wichtig, einen Kontrast zwischen scharfen und unscharfen Bereichen zu schaffen. Dabei spielt die Schärfentiefe eine entscheidende Rolle. Sie bestimmt, wie viel und welcher Bereich des Bildes scharf abgebildet wird.

Entfernung

Der erste Faktor, der bestimmte Bereiche scharf oder unscharf erscheinen lässt, ist die Entfernung. Dabei spielt die Entfernung von der Kamera zum Objekt und vom Objekt zum Hintergrund eine wichtige Rolle. Befindet sich das zu fotografierende Objekt nahe an der Kamera und wird scharf gestellt, so wird der Hintergrund umso unschärfer, je weiter er vom Objekt entfernt ist. Das heißt, wenn ein Objekt scharf und der Rest unscharf abgebildet werden soll, spielt das Verhältnis der drei genannten Faktoren zueinander eine wichtige Rolle. Oft wird fälschlicherweise behauptet, dass nur bestimmte Objektive diesen Effekt erzeugen, tatsächlich kann er aber mit jedem Objektiv erzeugt werden, wenn die Abstände im richtigen Verhältnis zueinander stehen.

Blendenöffnung

Die Blende ist die einfachste Möglichkeit, um mit der selektiven Schärfe zu arbeiten. Es ist jedoch wichtig, die maximale Blendenöffnung des verwendeten Objektivs zu kennen. Um den Effekt optimal nutzen zu können, ist es wichtig, ein lichtstarkes Objektiv zu verwenden. Blendenöffnungen von f 2,8 oder größer sind ideal. Je weiter die Blende geöffnet ist, desto kleiner wird der Schärfebereich. Deshalb ist beim Fokussieren nur ein kleiner Bereich wirklich scharf. Der Rest ist mit einer weichen Unschärfe überzogen. Bei sehr lichtstarken Objektiven ist dieser Effekt so stark, dass der größte Teil des Bildes unscharf wird. Dadurch können sehr feine Bereiche hervorgehoben werden, ohne dass andere Bereiche ablenken. Wird zusätzlich mit der Distanz gespielt, lässt sich der Effekt noch weiter verstärken.

Brennweite

Der dritte Faktor, der zu einer größeren selektiven Schärfe führt, ist die Brennweite. Je länger die Brennweite, desto geringer die Schärfentiefe. Das liegt auch daran, dass im Telebereich die zu fotografierenden Objekte meist sehr weit voneinander entfernt sind. Dadurch wird der Hintergrund schnell unscharf. Aus diesem Grund sind Teleobjektive besonders geeignet, wenn es darum geht, die Schärfe selektiv einzusetzen und den Hintergrund auszublenden. Viele kombinieren in diesem Fall ein Teleobjektiv wie das 70-200 mm* mit einer Lichtstärke von f 2,8, um genau diesen Effekt gezielt einsetzen zu können.

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Wann wird selektive Schärfe genutzt?

Die selektive Schärfe ist ein Effekt, der grundsätzlich in der Fotografie zu finden ist. Ob beabsichtigt oder nicht. Denn die physikalischen Gesetze sorgen automatisch dafür, dass Schärfentiefe entsteht, unabhängig in welchem Ausmaß. Dennoch gibt es einige Bereiche in der Fotografie, die sich sehr gut für die Anwendung der selektiven Schärfe eignen.

Porträtfotografie

In der Porträtfotografie wird sehr oft mit der Schärfentiefe gespielt. Denn beim Fotografieren von Personen ist es oft das Ziel, das Motiv etwas mehr in den Fokus zu rücken. Die Umgebung ist in vielen Situationen zweitrangig. Durch den unscharfen Hintergrund kommt die zu fotografierende Person deutlich besser zur Geltung.

Hier eignet sich in der Regel ein lichtstarkes Objektiv mit einer Brennweite von 35 oder 50 mm. Die Lichtstärke von 2,8 oder sogar 1,8 bietet die Möglichkeit, offenblendig zu fotografieren, während der Brennweitenbereich optimal ist, um Personen naturgetreu und ohne Verzerrungen abzubilden.

Makrofotografie

In der Makrofotografie ist die Schärfentiefe sowohl ein Stilmittel als auch oft ein Hindernis. Denn im Makrobereich kommt es aufgrund der nahen Einstellgrenze oft zu einer starken Unschärfe in vielen Bereichen. Obwohl dies im Hintergrund durchaus erwünscht ist, kommt es häufig vor, dass auch Teile des Motivs bereits von der Unschärfe erfasst werden. 

Um dem entgegenzuwirken, ist es immer sinnvoll, mit Focus Stacking zu arbeiten, um die Unschärfe noch etwas gezielter steuern zu können. Dabei werden mehrere Aufnahmen gemacht und der Fokus bei jeder Aufnahme ein wenig verschoben, bis alle Bereiche des Motivs einmal scharf sind. Anschließend werden die Einzelaufnahmen zu einem Bild zusammengefügt, um das gewünschte Objekt vollständig scharf zu stellen. Der Hintergrund ist, wie in den meisten Fällen gewünscht, komplett unscharf.

Tierfotografie

Auch in der Tierfotografie spielt die selektive Schärfe eine entscheidende Rolle. Denn oft geht es darum, das Tier in Szene zu setzen und den Rest des Bildes etwas auszublenden. 

Die Schärfe wird auch bei Nahaufnahmen so gewählt, dass die wichtigsten Elemente abgebildet werden. In den meisten Fällen liegt der Fokus jedoch auf den Augen, was auch für die Porträtfotografie gilt.

Vorteile von selektiver Schärfe?

Die selektive Schärfe hat mehrere Vorteile. Der wichtigste Aspekt ist, dass sie die Aufmerksamkeit auf bestimmte Bildbereiche lenkt. Da nur ein bestimmter Bereich scharf abgebildet wird, kann die Aufmerksamkeit gezielt auf diesen Punkt gelenkt werden. Auf diese Weise lässt sich der Betrachter besser durch das Bild führen. Außerdem werden durch die Unschärfe viele störende Elemente reduziert, wodurch das Bild viel ruhiger und ausgeglichener wirkt. So lässt sich die selektive Schärfe gezielt in der Bildgestaltung einsetzen.

Selektive Schärfe: Fazit

Die selektive Schärfe ist eine hervorragende Möglichkeit, das Bild genauer zu gestalten. Zum einen lässt sich damit die Aufmerksamkeit des Betrachters viel gezielter steuern, zum anderen kann ein unruhiger Hintergrund etwas weicher dargestellt werden. Dennoch sollte dieses Gestaltungsmittel nicht grundsätzlich immer eingesetzt werden. Denn es gibt viele Situationen, wo sich die Wirkung als kontraproduktiv erweist. Zum Beispiel, wenn ein Objekt in seiner Umgebung gezeigt werden soll. Ist die Unschärfe zu stark, ist es für den Betrachter schwer zu erkennen, wo sich die Person befindet. In solchen Situationen sollte die Schärfentiefe sinnvoll eingesetzt werden. Auch in der Landschaftsfotografie kann ein zu großer Unschärfebereich nachteilig sein.